Prototyp der neuen Einfamilienhaus-Moderne

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Kennen Sie Gelnhausen? Als eine von fünf Barbarossastädten wurde die osthessische Kreisstadt des Main-Kinzig-Kreises im Jahre 1170 vom Stauferkaiser Friedrich I. gegründet. Zollfreiheit zog die Kaufleute an und ließ den Handel florieren. Heute leben hier 23.000 Einwohner und haben ihre Mitte mit Sicherheit gefunden – seit der EU-Osterweiterung vor drei Jahren gilt die hessische Stadt als geografischer Mittelpunkt der EU. Außerdem ist Gelnhausen Geburtsort von Johann Philipp Reis (7. Januar 1834), dem wir das Telefon verdanken.

Auch 2010 finden wir in Gelnhausen Menschen, die gern mal quer und innovativ den ken. Marco Hepp, 34, Malermeister und Betriebswirt, als Geschäftsführer für rund 80 Mitarbeiter verantwortlich. „Ich will beides beherrschen: die praktischen Abläufe vor Ort und das Zahlenwerk.“ Als das eigene Haus in greifbare Nähe rückte, stand von Anfang an fest: Es wird alles – nur nicht gewöhnlich.

Mit Ehefrau Kerstin Hepp, 26, bewohnte der junge Mann jahrelang das Souterrain seines Elternhauses: „Natürliches Licht war da nur begrenzt erlebbar, deshalb lautete einer unserer unumstößlichen Wünsche: Wir möchten im neuen Haus gern von der Sonne geweckt werden und sie in der Abenddämmerung hinter der Rotweinflasche auf dem Tisch versinken sehen. Die Hanglage mit dem kilometerweiten Fernblick ist ein großer Glücksumstand. Zu groß sollte das Haus allerdings auch nicht werden, denn bei meinen Eltern erlebten wir, wie viel Mehrarbeit Größe einfordert.

“Kerstin und ich sind Bauhaus-Fans, stellen uns moderne Architektur aber weniger kühl vor. Zusammen mit dem OKAL-Architekten Sven Propfen haben wir unzählige Varianten ent- und verworfen, viel experimentiert. Es ging um bodentiefe Fenster über die komplette Front im Dach- und Erdgeschoss. Um eine Terrasse, die sich nahtlos dem Wohnraum anschließt. Um ein Flachdach, das wirkt, als würde es auf einer Seite in der Luft schweben, und die Form einer S-Silhouette aus der Frontansicht suggeriert. Im ersten Entwurf war der Dachüberstand über dem Balkon geschlossen. Wirkt zu massiv, dachten wir und probierten es mit Aussparungen. Als ich den veränderten Entwurf sah, wusste ich: Das ist es. Das Ganze wirkte aufgelockerter, origineller. Wir haben uns für einen offenen Grundriss auf beiden Vollgeschossen entschieden.
Jede Ebene misst 108 Quadratmeter. In Kürze wird Lilienne von einer Seite des Hauses zur anderen robben können, ohne von Türen an der Entdeckung der Welt gehindert zu werden. Die langen Blickachsen, unterstützt von 2,80 Meter Raumhöhe und geschosshohen Fensterfronten über die gesamte Gartenseite, machen die Räume nahezu grenzenlos. Und trotzdem verliert man sich darin nicht. Es gibt Wände und Wandscheiben, klar abgegrenzte funktionale Zonen, auch Nischen.

Das weiße und cremefarbene Ambiente wird durch Stabparkett-Böden im Erdgeschoss aufgebrochen, auch in der Küche. Der Holzboden bringt Wärme und ein archaisches Material ins Spiel. Natürlich hatten wir auch Lust auf ein paar technische Spielereien, so viel Komfort darf sein. Die stromsparende LED-Beleuchtung der neuesten Generation wird bei Dämmerung durch Außensensoren automatisch eingeschaltet. Das zweite Kinderzimmer ist auch schon fertig. Wir waren zwar sehr experimentierfreudig, was das Haus angeht, sind aber umso festgelegter in unserer Familienplanung …“

Der OKAL-Architekt: Neues Level

Sven Propfen, leitender Architekt bei OKAL: „Dieses Format war architektonisch wie technisch Neuland für OKAL – die klassische Holzbalkenkonstruktion stößt bei so extremen Spannweiten an ihre Grenzen. Die Umsetzung der Fassade als S-Form im Holztafelbau war dabei die größte Herausforderung. Bei zwei gleich hohen Geschossen muss hier eine einheitliche Breite realisiert werden. Die Decken mussten einmal in Verbindung mit dem Balkon und dessen Geländer, aber auch mit dem Flachdach und der umlaufenden Attika konstruiert werden, ohne die Grundprinzipien des Holzfertigbaus zu verlassen. Das erhebliche Gewicht dieser Decken konnte ja nicht auf den Fensterfronten abgetragen werden.
Wir lösten das Problem mit Stützen hinter der Glasfront, die in die Raumarchitektur unauffällig eingebunden wurden. Eine reine Holzkonstruktion hätte ziemlich dicke Balken erfordert, die wiederum die klare äußere architektonische Erscheinungsform belastet hätten. Und wäre teuer geworden. Schließlich entschieden wir uns gemeinsam mit dem Bauherren für eine ausgeklügelte Kombination von Holz- und Stahlträgern, die statisch einwandfrei ist – und Wärmebrücken vermeidet.

Gewaltige Fensterformate wie diese holen viel Licht ins Haus – aber auch viel Sonnenwärme. Die Kombination aus Luft-Wasser-Wärmepumpe, Lüftungsanlage mit kontrollierter Be- und Entlüftung und separater Klimaanlage in Wohn- und Schlafräumen schützt nun ebenso vor Überhitzung wie Auskühlung. Ein Wind- und Sonnenwächter setzt automatisch die Jalousien in Bewegung, das BUS-System im Haus wappnet es für kommenden elektronischen Komfort …“

Der Landschaftsarchitekt: Den Hang gemeistert

Eine weitere tragende Rolle im wahrsten Sinne des Wortes spielte auch Garten- und Landschaftsarchitekt Eckhard Porstner aus Dresden. Er ist spezialisiert auf geografisch schwer zu erschließende Grundstücke: „Der Platz für das Haus wurde in den Hang ,hineingefräst‘. Dazu mussten 2.800 Kubikmeter Erde, das sind etwa 180 LKW-Ladungen, abtransportiert werden. Am Ende der Baugrubenwand entstand eine 4,40 Meter hohe Zyklopenmauer aus 400 Tonnen Naturstein, der aus einem nahe gelegenen Steinbruch angefahren wurde. Da am Hang wegen der Erosionsgefahr kein Boden verdichtet, also mit einem Rüttler bearbeitet werden durfte, haben wir einen speziellen Schotter verwendet. Hinter einer 4,50 Meter hohen Mauer am Eingang ist eine künstlich angeschüttete, ebenerdige Rasenfläche angelegt. Solche massiven Eingriffe erfordern den statischen Nachweis durch ein Spezialbergbauunternehmen.“

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