/Wir kennen Sie beide als angenehm unruhige, visionäre Unternehmer. Mit seit vielen Jahren derselben Leidenschaft: das energetisch beste Einfamilienhaus auf dem Markt zu bauen. Was bedeuten Ihnen nun Ihre Plusenergiehäuser?
Johannes Schwörer: Ich sehe das als einen evolutionären Schritt. Einen von vielen. Seit den 90er-Jahren wird das Thema Energiesparen
in der Gesellschaft immer wichtiger. Der Weg zum Drei-Liter-Haus über das Passivhaus bis zum Plusenergiehaus war sozusagen vorgezeichnet. Wenn wir jetzt Einfamilienhäuser anbieten können, die im Jahresverlauf mehr Energie erzeugen, als seine Bewohner brauchen, ist das ein unbestritten neues Niveau. Das Plusenergielevel als Standard umzusetzen, wird uns aber noch einiges abfordern.
Andreas Viebrock: Als wir vor 15 Jahren unsere Heizsysteme ganz auf Wärmepumpen umgestellt haben, hat man uns prophezeit, wir würden daran pleitegehen. Allerdings habe selbst ich damals noch nicht geglaubt, dass ein Haus mehr Energie erzeugen kann, als es verbraucht. Wir haben viel Glück gehabt auf dem Weg. Ab einem bestimmten Punkt lohnt es sich nicht mehr, alles über stärkere Dämmung zu regeln. Da kam die Idee gerade recht, das hocheffiziente Heizsystem mit Wärmepumpe und zentraler Lüftung mit Wärmerückgewinnung zu ergänzen durch eine Photovoltaikanlage, die die Energie fürs Haus selbst erzeugt. Aktuell haben wir auch wieder Glück, weil die Minister Rösler und Röttgen die Einspeisevergütung senken. Das wird das Plusenergiehaus einen weiteren großen Schritt voranbringen.
Wie denn das?
Andreas Viebrock: Es ist sinnvoller, den Strom selbst zu verbrauchen, als ihn ins Netz einzuspeisen. Die Leute wollen unabhängig werden von der sich immer schneller drehenden Preisspirale. Die Entwicklung bei der Dämmung wird ebenfalls weitergehen. Im Übrigen zahlt sich die hohe Dämmqualität jetzt aus, mit der wir unsere Häuser bauen. Auch die wirkliche Beherrschung der Details und die Gebäudedichte sind für das Plusenergiehaus entscheidend: Was es an Energie nicht verliert, muss nicht produziert werden. Der konventionelle Häuslebauer wird da so seine Schwierigkeiten haben.
Warum? Was unterscheidet Sie denn von denen?
Andreas Viebrock: Die haben kein durchgehendes Bausystem. Wenn wir den Plusenergiestandard, den wir garantieren, nicht einhalten, haben wir spätestens bei der ersten Stromabrechnung unserer Bauherren ein Problem. Wir müssen daher ganz genau wissen, was passiert, wenn wir an einer spezifischen Schraube im Haus drehen. Deshalb entsteht bei uns ein Haus wie in einer Fabrik. Wir bauen sogar am liebsten ein Zelt darüber, damit der Bau nicht vom Wetter beeinträchtigt wird.
Wir werden daran gemessen – und zwar unbestechlich, vom geeichten Stromzähler! –, ob dieses Haus tatsächlich mehr Energie erzeugt, als es verbraucht. Die jahrelange Forschungs- und Entwicklungsleistung, die dafür notwendig ist, können kleinere Unternehmen mit ihren niedrigen Stückzahlen nicht erbringen. Der kleine Bauunternehmer hat ja kaum Einfluss auf die Gewerke und weiß gar nicht, wo er die Energie verliert. Er versucht, kein Risiko einzugehen und wird auf die schlechtere Variante zurückgreifen. Also „Effizienzhaus 70“ – oder schlechter. Ein „Effizienzhaus 55“ und besser wird extern geprüft und bestätigt.
Für Umweltbewusste galt das Passivhaus als Nonplusultra. Jetzt bieten Sie dieser Klientel Plusenergiehäuser an. Mit welchen Argumenten?
Johannes Schwörer: Das Passivhaus ist jetzt 15 Jahre lang forciert worden. Es dauert, bis so etwas in den Köpfen verankert ist. Und es stellt sich die Frage, ob der Bauherr versteht, welche Vorteile ihm das Plusenergieniveau gemessen am Passivhaus bringt. Die Beratung ist komplexer: Was ist möglich auf dem konkreten Bauplatz? Welche Auswirkungen hat die oft vorgeschriebene Ausrichtung und Form des Hauses auf den Energieertrag? Was muss das Gebäude leisten? Wie groß muss die Photovoltaikanlage sein? Brauche ich Erdwärme, um wirtschaftlich ins Plus zu kommen? Nur der Hausanbieter, der all diese Themen wirklich beherrscht, kann dem Bauherrn ein kompetentes Angebot machen, das auch preislich für ihn optimal ist.
Das Passivhaus ist zertifiziert, das Plusenergiehaus nicht.
Johannes Schwörer: Das Passivhaus ist nicht zertifiziert; lediglich Bauteile sind als „passivhaustauglich“ zertifiziert. Wenn die verwendet werden, kann ein Passivhaus entstehen, muss es aber nicht. Viele Gebäude, die als „Passivhaus“ verkauft wurden, sind tatsächlich gar keine.
Suchen die 200.000 Leute, die monatlich im Internet „Passivhaus“ googeln, nicht eigentlich ein Plusenergiehaus, wenn man es ihnen nur erklärte?
Johannes Schwörer: Klar. Was die Leute eigentlich suchen, wenn sie für die Zukunft bauen und einem Energienotstand vorbeugen wollen, ist ein Gebäude mit optimalen Energiekennwerten. Und da sind wir mit dem Plusenergiehaus gut unterwegs. Aber der Wert, den der Stromzähler am Jahresende zeigt, der muss stimmen. Ein Anbieter, der Häuser mit prognostizierten Werten verkauft, die dann nicht erreicht werden, wird keine Chance haben.
Derzeit läuft es darauf hinaus, dass ich mit einem Plusenergiehaus von April bis Oktober Strom ins Netz liefere und von November bis März beziehe. Aber das Plusenergiehaus wird als erstes vom reinen Verbraucher zum wahren Energiegewinner.
Andreas Viebrock: So ist es. In der Gesamtbilanz kommen wir hin. Autarkie ist nicht das Ziel – das wäre eine teure Falle, oder wie sehen Sie das?
Johannes Schwörer: Ich denke, dass da die Speichertechnologie noch viel ermöglichen wird. Ich setze stark auf die Fahrzeugindustrie, die bezahlbare Lösungen zur Verfügung stellen wird. So ein Auto lässt sich gut als Speicher nutzen.
Andreas Viebrock: Da habe ich meine Bedenken: Der Deutsche hat gern den Tank voll… Aber mit einem Plug-in-Hybridantrieb könnte es gehen.
Johannes Schwörer: Oder mit einem Zweitwagen. Das Elektrofahrzeug wird nicht von heute auf morgen den Verbrennungsmotor verdrängen. Aber unser Individualverkehr spielt sich von den 365 Tagen im Jahr an 280 nur in einer Größenordnung von unter 40 Kilometern ab. Die Diskussion um Elektrofahrzeuge und die 85 Tage, an denen wir mal längere Strecken fahren, halte ich für manipuliert. Und für die 40-Kilometer-Alltagswege reichen die Akkus der Elektrofahrzeuge locker aus. Da kann ich bei Bedarf sogar etwas fürs Haus zurückholen aus der Autobatterie. Natürlich sind das erst mal Visionen, aber je besser die Akkus werden, desto mehr werden produziert und desto günstiger werden sie. In China fahren bereits 10 Millionen Elektrofahrzeuge, bei uns sind es vielleicht 1.000.
Sie arbeiten selber an Batterielösungen?
Andreas Viebrock: Ja, weil die Industrie zu langsam ist. Wir haben nun eine Batterie, die marktfähig ist. Das Problem dabei: Die Versorger müssen sich erst noch umstellen. Die wollen im Moment nur verkaufen. Für sie ist es eine ganz neue Sache, nicht mehr nur zu liefern, sondern auch abzunehmen. Sie müssen für den Kundenkontakt noch eine intelligente Lösung finden.
Wie weit komme ich denn nun mit meinem Eigenstrom-betankten Auto?
Johannes Schwörer: 3.000 bis 4.000 Kilometer im Jahr auf jeden Fall.
Andreas Viebrock: Und das wird sich schnell steigern. Die Photovoltaikanlagen werden ja auch effizienter.
Johannes Schwörer: Wobei die Diskussion um den Wirkungsgrad von Photovoltaikanlagen auch ein Witz ist. Wir haben so viele Geräte, wo diese Frage überhaupt keine Rolle spielt, zum Beispiel beim Otto-Verbrennungsmotor. Der hat einen unglaublich schlechten Wirkungsgrad, aber darüber redet niemand.
Andreas Viebrock: Kernkraftwerke zum Beispiel liegen bei rund 35 Prozent.
Johannes Schwörer: Gleichzeitig wird der Photovoltaikindustrie vorgeworfen, sie setze sich nicht durch, weil die Module einen zu geringen Wirkungsgrad hätten.
Andreas Viebrock: Wir werden mit der Photovoltaik bald auch die zweite Dachseite belegen, um den Gesamtertrag zu steigern und weil die Ausrichtung nicht mehr optimal sein muss. Es geht ja nicht darum, mittags unbedingt den meisten Strom zu produzieren, sondern den ganzen Tagesbedarf abzudecken.
Wie hoch ist der Mehraufwand für ein Plusenergiehaus?
Andreas Viebrock: Das kommt auf die Gebäudeklasse an, mit der Sie starten. Bei einem „Effizienzhaus 40“ mit etwa 130 Quadratmeter Wohnfläche betragen die Mehrkosten ungefähr 15.000 Euro, inklusive Batteriepuffer. Für ein „Effizienzhaus 70“ landen Sie schnell bei 40.000 bis 50.000 Euro Mehraufwand.
Muss das Plusenergielevel nicht schleunigst Neubaustandard werden, wenn wir hierzulande wirklich die Energiewende schaffen wollen? Oder reden wir von der Lösung eines Luxusproblems?
Johannes Schwörer: Die Bundesregierung hat ein paar Atomkraftwerke abgeschaltet. Sonst ist noch nichts groß passiert. So wird die Energiewende natürlich nicht funktionieren. Eine bessere Lösung als das Plusenergiehaus ist nicht in Sicht.
Worauf muss sich der Bauherr eines Plusenergiehauses einlassen, zum Beispiel in puncto Lüftung?
Andreas Viebrock: Auf gar nichts. Wenn er das Gefühl hat, die Luft ist nicht gut, muss er eben das Fenster aufmachen. Aber die zentrale Wohnraumbelüftung entsorgt ja ohnehin ständig die Abluft, also ausgeatmetes Kohlendioxyd, Ausgasungen von Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen nach draußen. Damit lebt die Hausbesitzerfamilie auf jeden Fall schon mal gesünder als ohne Lüftung. Das ist aber eigentlich heute kein Problem mehr.
Heute darf ein Haus ohne Lüftungsanlage rein rechtlich gar nicht mehr gebaut werden. Jeder Anbieter muss sicherstellen, dass der Kunde 24 Stunden am Tag alle 2 Stunden einen kompletten Luftwechsel im Haus schafft, also auch, wenn er gar nicht da ist. Das ist bei den heutigen Gebäudehüllen nicht machbar ohne zentrale Lüftung. Das Fehlen einer zentralen Wohnraumlüftung stellt einen Baumangel dar.
Wie viele von den in diesem Jahr neu gebauten Einfamilienhäusern werden trotzdem ohne Lüftungstechnik gebaut?
Johannes Schwörer: Bestimmt 50 Prozent.
Andreas Viebrock: Ich würde das noch höher schätzen. Herr Schwörer sagt 50, ich kenne die anderen 30 Prozent, da landen wir locker bei 80.000 der 100.000 Neubauten.
Johannes Schwörer: Aber Spaß beiseite. Jeder Anbieter hat doch den Ehrgeiz, die nächsten 30 Jahre zu überleben. Wer die Normen dabei ignoriert, wird Probleme haben, das zu schaffen. Und das gilt natürlich auch für diejenigen, die das Thema Plusenergie ignorieren.
Warum tun wir uns so schwer damit, sinnvolle Standards wie das Plusenergiehaus durchzusetzen?
Johannes Schwörer: Ein Problem dabei ist die vorgelagerte Industrie, die einfach nicht in der Lage ist, die notwendigen Systeme zu liefern. Deshalb müssen wir uns jetzt – und Sie Herr Viebrock empfinden das sicher auch – widersinnigerweise damit beschäftigen, zum Beispiel Speichermedien selbst aufzubauen. Das hat mit unserem Kerngeschäft nichts zu tun. Wir müssen uns aber darum kümmern, weil nichts Vernünftiges angeboten wird.
Die Autoindustrie sollte endlich aufhören, die Kunden zu bevormunden mit der Behauptung, sie wollen gar kein Elektrofahrzeug, weil er mit dem Verbrennungsmotor viel glücklicher mache. Es gibt schlichtweg kein anderes Angebot oder die Autos sind so teuer, dass sie keiner bezahlen kann.
Wie lange wird es dauern, bis Sie nur noch Plusenergiehäuser bauen?
Johannes Schwörer: Sie können aus jedem weniger als zehn Jahre altem Haus mit dem entsprechenden Aufwand ein Plusenergiehaus machen. Beim Neubau glaube ich in jedem Fall, dass es sinnvoll ist, seinen Strom selbst zu produzieren. Deshalb wird sich das auch durchsetzen. Nicht, weil es gesetzlich gefordert wird, sondern weil der Bauherr etwas davon hat.
Andreas Viebrock: Wer heute ein Plusenergiehaus baut, hat unter Berücksichtigung von Zinsen und Abschreibung eine zusätzliche Rendite von drei bis vier Prozent der Investitionssumme. Das ist für mich das beste Argument