Papier ist geduldig, sagt man. Erst wenn den Worten auch angemessene Taten folgen, kann man sich für ein Projekt wirklich begeistern. Und genau das empfinden jetzt Forscher der Fraunhofer Gesellschaft und des Berliner Instituts für Sozialforschung. Sie haben an einem ganz besonderen Haus in Berlin untersucht, ob sich das Plusenergieprinzip im Hausbau praktisch bewährt.
Versuchsobjekt war nicht nur das würfelartige Gebäude mit seiner großen Photovoltaik-Fassade, seiner Luft-Wasser-Wärmepumpe und seiner exzellenten Wärmedämmung. Versuchsobjekte waren – in gewisser Weise – auch Simone Wiechers, Jörg Welke und ihre Kinder Freyja und Lenz. Für sie war das ungewöhnliche Haus im Stadtteil Charlottenburg 15 Monate lang ihr Zuhause. Sie sollten erproben, wie es sich in einem solchen Haus lebt und ob es ausreichenden Komfort für den Alltag zur Verfügung stellt. Jetzt liegen die Ergebnisse vor.
Wohnhaus, Kraftwerk und Tankstelle
Die Familie Welke-Wiechers zieht eine positive Bilanz. Nicht zuletzt, weil ihnen umweltgerechtes Verhalten am Herzen liegt. Jörg Welke, der einer Arbeit in einem Institut für Umweltfragen nachgeht: „Wir haben uns natürlich bewusst mit den Zielen des Versuchs auseinandergesetzt und zum Beispiel auch beim Kochen auf ökologisch sinnvolles Verhalten geachtet.“ Produkte ohne lange Anfahrtswege, keine energieverzehrende Tiefkühlkost, all dies hat sich positiv auf die CO2-Bilanz ausgewirkt. Simone Wiechers: „Wir haben uns schon immer viel mit Umweltfragen auseinandergesetzt.“ Insofern fühlten sie sich in einem Haus, das zugleich Kraftwerk und Tankstelle für E-Mobile ist, sehr zufrieden.
Wie aber steht es mit den Wissenschaftlern? Die sehen die Sache differenzierter. Das begleitende Fraunhofer Institut für Bauphysik aus Stuttgart hat die Energiebilanz des Berliner Hauses gemessen und die Werte abschließend zusammengetragen. Danach übersteigt der Energieertrag durch die Photovoltaikoberflächen des Hauses den Hausstromverbrauch übers Jahr um 1.100 Kilowattstunden. Nimmt man aber den Verbrauch hinzu, der beim Einsatz der E-Mobile und E-Bikes benötigt wurde, bleibt unterm Strich ein Energiedefizit von 2.900 Kilowattstunden.
Im Stuttgarter Institut und im Berliner Ministerium hatte man mit einem höheren Ertrag gerechnet und verweist auf den sehr trüben Sommer 2012, der in der Tat zu kümmerlichen Sonnenstundenbilanzen in der Hauptstadt führte. Die Zahl der Sonnenstunden lag um 40 (!) Prozent unter dem langjährigen Mittel. Außerdem muss man den eher ungewöhnlichen Standort im Stadtteil Charlottenburg in Betracht ziehen. Das Effizienzhaus Plus steht inmitten hoher Häuser, die natürlich zur Verschattung beitragen und die Energiebilanz zusätzlich „verhageln“. Außerdem verbrauchte die Wärmepumpe mehr als vorausberechnet. Ein Effekt, den man in der kommenden Heizperiode abstellen will. Man könne, so heißt es im Ministerium, davon ausgehen, dass die ursprünglich errechneten Werte im Normalfall auch erreicht werden.
Also ist das Experiment doch geglückt? Mit einem einfach „Ja“ oder „Nein“ lässt sich die Frage nicht beantworten. Aber die Bedenken anderer Wissenschaftler sind zumindest interessant. Ihre Kritik gilt dem Konzept des ungewöhnlichen Hauses, das über die Photovoltaikanlage Solarstrom vor allem im Sommerhalbjahr bezieht, seine Heizenergie natürlich vor allem im Winter durch eine Luft-Wärme-Pumpe bezieht, die dann Strom benötigt, wenn er nur unzureichend vom Haus selbst produziert wird.
Das heißt, kurz gefasst, dass sich Angebot und Nachfrage im Energiehaushalt des Versuchsobjekts so gut wie nie decken. Deshalb plädieren Beobachter des Projekts für einen verstärkten Einsatz von Solarthermie – also der hauseigenen Wärmegewinnung. Denn Wärme lässt sich besser speichern als elektrische Energie. Damit steigen natürlich die Chancen, die gewonnenen Kalorien zeitversetzt zu verbrauchen. Aufsehen erregte übrigens der Energieverbrauch im Gebäude. Er lag 75 Prozent über den Vorausberechnungen. Die Gründe werden noch untersucht.
Ist also das Effizienzhaus-Projekt der Bundesregierung ein Flop? Das mag auch keiner seiner Kritiker behaupten. Schließlich haben die Entwickler des schwarzen Kubus’ an der Fasanenstraße Neuland betreten und Erkenntnisse gesammelt, die dazu geeignet sind „die beschlossene Energiewende richtig zu kommunizieren“, wie Staatssekretär Rainer Bomba vom Bundesbauministerium betonte.