Nachhaltig besiegelt: Umweltfreundliche Häuser
QNG – das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude – ist Voraussetzung für einen zinsgünstigen KfW-Kredit. 17 Kriterien müssen für nachhaltiges Bauen erfüllt werden.
Die Klimakrise hat Umweltbewusstsein zu einer gesellschaftlichen Bewegung gemacht. Die Mehrheit der Deutschen sagt ja zu mehr Nachhaltigkeit und ist bereit, Gewohnheiten zu überdenken und sich in bestimmten Lebensbereichen neu auszurichten. Dies zeigen Ergebnisse zahlreicher Studien. Nachhaltigkeit ist das Gebot der Stunde, denn: Wer nachhaltig lebt, schützt auch das Klima. Ob Ernährung, Konsumverhalten oder Mobilität – die Möglichkeiten für einen bewussten Umgang mit Ressourcen sind vielfältig. Und auch wer ein Haus bauen möchte fragt sich: Wie kann ich meinen ökologischen Fußabdruck gering halten?
Wer umweltfreundlich baut, ist prädestiniert für die staatliche Förderung der KfW-Bank, tut etwas für den Schutz der Umwelt und seinen Geldbeutel – immerhin winkt eine maximale Fördersumme von 150.000 Euro als zinsgünstiges Darlehen. Derzeit erleben die KfW-Förderkredite ein Comeback, ihr Anteil am gesamten Baufinanzierungsvolumen ist so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Im Juli 2023 lag dieser bei 9,0 Prozent und damit 1,5 Prozent höher als im Vormonat (7,5 Prozent), wie der Finanzdienstleister Dr. Klein bekanntgab.
Geld vom Staat gibt es jedoch nur für Häuser mit der Effizienzstufe 40, die das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) tragen, das die Nachhaltigkeit des Hauses bestätigt und sämtliche Emissionen in dessen Lebenszyklus betrachtet. Geknüpft ist das QNG-Siegel an insgesamt 17 Kriterien in den Bereichen Ökologie, Ökonomie, Planungs- und Bauprozesse sowie soziokulturelle Qualität. Einige sind verpflichtend, die allgemeinen Anforderungen indes müssen nicht zu 100 Prozent erfüllt werden. Wir erklären Ihnen die 17 Kriterien ausführlich.
Nachhaltiges bauen: Die 17 Kriterien des QNG
Besondere und somit verpflichtende Anforderungen
1 Ressourceninanspruchnahme und Wirkungen auf die globale Umwelt: Natürliche Ressourcen müssen geschont und negative Auswirkungen auf die Umwelt begrenzt werden. Deshalb wurden hierfür zwei wichtige Eckpunkte definiert. Zum einen die Höhe der CO₂-Emissionen, die ein Haus in seinem Lebenszyklus erzeugen darf. Sie werden auch als „graue Energie” bezeichnet und fallen bereits bei der Errichtung, beispielsweise für die Herstellung des Zements für die Bodenplatte oder das Brennen der Dachziegel an. Hinzu kommt die Energie, die für Reparaturen oder Modernisierungen benötigt wird, bis hin zum Rückbau und der Verwertung oder Entsorgung. Insgesamt darf der darauf zurückzuführende Treibhausgasausstoß maximal 28 Kilogramm CO₂ pro Quadratmeter im Jahr betragen. Bei einem Einfamilienhaus mit 150 Quadratmetern und einer angenommenen Lebensdauer von 80 Jahren also nicht mehr als 336 Tonnen CO₂.
Der zweite Punkt ist der Primärenergiebedarf, also die gesamte Energie, die ein Haus übers Jahr für den laufenden Betrieb von Heizung, Warmwasser, Lüftung und Kühlung benötigt. Hierfür dürfen maximal 96 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr aus nicht erneuerbaren Energien aufgewendet werden. Bei unserem Beispielhaus mit 150 Quadratmetern entspricht das 14.400 Kilowattstunden im Jahr. Wie sind diese Ziele zu erreichen?
Bei den Treibhausgasemissionen punktet der Holzfertigbau. Tragende Teile, Wände und Dämmung können aus dem nachwachsenden Rohstoff hergestellt werden, der zudem CO₂ speichert. Allerdings darf die Energie nicht vernachlässigt werden, die für Transport und Verarbeitung des Holzes anfällt. Aber auch der Massivbau hat sich längst auf umweltschonende Produkte eingestellt, worauf wir im nächsten Punkt noch genauer eingehen.
Was den Primärenergiebedarf angeht, so ist die Gebäudehülle das A und O. In Ökohäusern zeigt sie sich hochgedämmt und idealerweise luftdicht. Hinzu kommt eine moderne Wärmepumpe, die aus einer Kilowattstunde Strom bis zu vier Kilowattstunden Wärmeenergie erzeugt. Ergänzt man das Ganze noch um eine Photovoltaikanlage auf dem Dach und ein smartes Energiemanagement, so lässt sich ein Großteil des eigenen Stroms ich selbst nutzen und entlastet die Primärenergiebilanz.
2 Nachhaltige Beschaffung: Bei der Beschaffung sind strenge Umwelt und Sozialstandards vorgeschrieben. Mindestens 50 Prozent des verbauten Holzes muss aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammen. Darüber hinaus gelten hohe Anforderungen an die Schonung natürlicher Ressourcen, an Arbeits- und Umweltschutz und die Einhaltung von Menschenrechten.
Gerade Holz ist ein besonders nachhaltiger Baustoff. Laut Statistik wächst jede Stunde das Holz für 160,8 Häuser allein in deutschen Wäldern. Im gleichen Zeitraum baut die Fertighausindustrie jedoch nur 1,8 Häuser. Im Gegensatz zu knappen Gütern wie etwa Sand oder Stahl ist Holz also im Übermaß vorhanden. Und: Holz bewährt sich nicht nur konstruktiv, in Form von Faserplatten eignet es sich auch als hervorragende Dämmung. Dies hat mit zur steigenden Beliebtheit von Holzfertighäusern beigetragen, sodass ihr Anteil im Neubau heute bereits mehr als 20 Prozent beträgt, in einigen Bundesländern sogar an die 40 Prozent.
Dennoch kennt die Frage, ob Holz oder Stein aus Ökosicht keinen klaren Sieger: Auch im Massivbau gehen Natur und Technik neue, nachhaltige Symbiosen ein mit wohngesundem, klimafreundlichem Mehrwert. Ziegel sind zwar energieaufwendig in der Herstellung, bestehen jedoch aus natürlichem Ton. Sie können Luftfeuchte und Wärme aufnehmen, speichern und wieder abgeben und tragen so zum gesunden Raumklima bei. In ihre Hohlräume lassen sich ebenfalls natürliche Dämmstoffe wie der vulkanische Perlit oder Steinwolle einfüllen. Das Resultat: Alles bio.
Und selbst Beton: Der verschlingt viel Energie bei der Produktion. Als Porenbeton jedoch ist er durch die eingeschlossene Luft sehr leicht und dämmt so gut, dass auch er Wände ohne zusätzliche Dämmschicht ermöglicht. Die ökologischen Vorteile liegen auf der Hand: Vermeidung von Kunststoffen, CO₂-Einsparungen beim Transport, sauberes Recycling.
3 Risiken für Gesundheit und Umwelt: Was gesunde Baustoffe ausmacht, darüber gibt es mittlerweile klare Vorstellungen. So verwundert es nicht, dass durch QNG der Einsatz von schadstoffhaltigen Materialien ausgeschlossen oder weitestmöglich begrenzt werden soll. Dazu muss der Bauherr die ausführenden Firmen sogar vertraglich verpflichten.
Wie weit das geht, zeigt die Tatsache, dass wohngesunde Baustoffe von ihrer Herstellung über die Verarbeitung und ihre Nutzung bis hin zu ihrer Entsorgung der Gesundheit der Menschen, die mit ihnen umgehen oder von ihnen umgeben sind, nicht schaden dürfen. Denn auch eine nicht fach- und sachgerechte Verarbeitung von Materialien kann zu Gesundheitsproblemen führen. Deshalb müssen wohngesunde Baustoffe ihre Unbedenklichkeit durch die Deklaration aller Inhaltsstoffe und Eigenschaften nachweisen und durch Prüfinstitute zertifiziert werden. Allerdings ist auch darauf zu achten, dass Wände „atmen“, also Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben können. Dafür darf man sie nicht mit Dispersionsfarbe, Lack oder Folie versiegeln. Ziel beim Bauen sollte immer ein möglichst unbelastetes und naturnahes Raumklima mit hoher Behaglichkeit sein – sprich: angenehme Temperaturen, angemessene Luftfeuchtigkeit und einwandfreie Raumluft.
Allgemeine Anforderungen
Rund 90 Prozent unserer Zeit verbringen wir in Innenräumen. Ihre Gestaltung hat einen erheblichen Einfluss auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. Deshalb muss ein Gebäude für die QNG-Zertifizierung hohen Komfort- und Gesundheitsansprüchen genügen. Zudem muss es barrierefrei bis ins hohe Alter genutzt werden können.
4 Nutzeranforderungen: Das perfekte Haus ist so exakt wie möglich auf die Bedürfnisse seiner Bewohner zugeschnitten. Deshalb sollte man sich genau überlegen, wie man es gestalten will und was man wirklich benötigt oder worauf man eventuell verzichten kann. Möchte ich morgens Sonne im Schlafzimmer oder lieber abends im Wohnzimmer und auf der Terrasse? Soll die Küche offen oder geschlossen sein? Brauche ich wirklich eine Garage oder tut es auch ein Carport, der keine Fläche versiegelt?
5 Barrierefreie Konzepte: Nicht erst im Alter wird das Wohnen auf einer Ebene als komfortabel empfunden. Auch mit kleinen Kindern lässt sich der Alltag so viel leichter bewältigen. Können nicht alle Räume auf einer Ebene angeordnet werden, so lassen sich die Geschosse eventuell mit einem Aufzug verbinden. Ebenso praktisch wie komfortabel ist es, Stufen vor Außentüren, Türschwellen sowie allzu schmale Durchgänge und Türen zu vermeiden. Auf diese Weise lässt sich die Nutzungsdauer eines Hauses leicht bis ins hohe Alter verlängern.
6 Thermischer Komfort: Eine gute Isolierung ist das A und O eines modernen, nachhaltigen Gebäudes. Sie dient nicht nur der Verringerung des Energieverbrauchs, sondern ist unabdingbar für Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Deshalb sind Kälteschutz im Winter ebenso wie sommerlicher Hitzeschutz fürs Haus kein Luxus, sondern sollten in jedem Fall gut bedacht werden. Dabei haben gerade nachhaltige Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen besonders viele positive Eigenschaften.
7 Visueller Komfort: Menschen brauchen Licht und Sonne ebenso nötig wie Nahrung und Wasser. Tageslicht reguliert unsere Körperfunktionen im 24-Stunden-Takt. Dafür sind eine Mindestlichtstärke und die richtige Lichttemperatur notwendig. Fazit: Fenster sollten möglichst groß dimensioniert werden, was bei der heute üblichen Isolierung kein Problem mehr ist. Gleichzeitig sollte die Lage der Fenster genau bedacht werden, um auch tiefe Räume ausreichend zu belichten und Ein- und Ausblicke optimal zu nutzen.
8 Schallschutz: Lärm kann unser Wohlbefinden massiv stören. Fertigbauwände enthalten deshalb komplexe Dämmkonstruktionen, die nicht nur vor Hitze und Kälte schützen, sondern auch Schall eliminieren. Ähnliches gilt für das Dach: Die Masse der Deckschicht und die richtige Dämmung halten Geräusche zuverlässig ab. Auch moderne Fenster schlucken Schall sehr gut – vor allem die höheren Frequenzen. Um auch die tieferen, wie zum Beispiel das Donnern von Fluglärm abzuschirmen, empfehlen sich spezielle Schallschutzfenster, die es in unterschiedlichen Klassen gibt.
9 Flächeninanspruchnahme: Land ist eine endliche Ressource. Deshalb ist es wichtig, sparsam mit ihr umzugehen. Für Bauherren ergibt sich daraus ein doppelter Nutzen: Kleinere Grundstücke kosten weniger, was zu mehr Spielraum beim Hausbau führt. Gut geplante Grundrisse, das Bauen in die Höhe – mit hohem Kniestock oder gar Flachdach oder in die Tiefe mit einem Keller, holen das Optimum aus der Grundfläche heraus. Ein guter Hausanbieter plant Ihnen Ihr Traumhaus individuell selbst auf einen noch so kleinen Bauplatz und dennoch auf Ihre ganz persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten.
10 Trinkwasserbedarf in der Nutzungsphase: Wasserknappheit wird langsam auch in Deutschland zu einem Thema. Umso wichtiger ist es, schon beim Bau des Hauses auf Einhebelmischer, Sparduschköpfe und sparsame Haushaltsgeräte zu setzen. Damit lässt sich jede Menge Wasser sparen. Großes Potenzial liegt auch im Garten. Ein Regenwasserspeicher hilft nicht nur beim Bewässern von Pflanzen, sondern kann über ein separates Leitungssystem auch Waschmaschine und Toilettenspülung speisen – und so bis zu 80 Prozent des Wasserverbrauchs abdecken.
11 Rückbau- und Recyclingfreundlichkeit: Da die Ressourcen an nicht erneuerbaren Rohstoffen wie beispielsweise Sand und Stahl endlich sind, erfordert die Auswahl von Baumaterialien besondere Sorgfalt. Holz etwa kann in hohem Maße recycelt werden. Das zahlt auf die QNG-Zertifizierung ein, die die Rückbau- und Recyclingfreundlichkeit von möglichst langlebigen Bauwerken belohnt. Das Endziel ist eine Kreislaufwirtschaft, also die dauerhafte Wiederverwendung der Baustoffe.
12 Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Vorausschauend zu bauen heißt auch, die langfristigen Bedürfnisse im Blick zu haben. Deshalb sollten Grundrisse schon bei der Planung flexibel angelegt werden. Nichttragende Wände etwa erlauben eine veränderbare Raumgestaltung. Einfach und kostengünstig können damit große Zimmer geteilt – und später wieder geöffnet werden. Ebenso können Räume im Laufe der Zeit unterschiedlichen Nutzungen zugeführt werden, wenn Raumaufteilung und Ausstattung entsprechend vorausschauend geplant worden sind.
13 Flächeneffizienz: Jeder Quadratmeter eines Hauses kostet Geld für Bau, Unterhalt und Instandhaltung. Und er benötigt wertvolle Ressourcen. Deshalb sollten Baufamilien sich viel Zeit dafür nehmen, ihre tatsächlichen Ansprüche an das Wohnen und Leben zu hinterfragen. Wie viel Platz brauche ich wirklich? Reichen statt der erträumten 150 nicht auch gut aufgeteilte 120 Quadratmeter? Und brauche ich tatsächlich ein Gäste- und Arbeitszimmer oder lassen sich diese Funktionen auch in einen anderen Raum integrieren?
14 Schaffung von Voraussetzungen für Bewirtschaftung: Ganz im Sinne der Nachhaltigkeit zahlt es sich bei den Baumaterialien aus, auf Qualität zu setzen. Hochwertige Produkte sind in der Anschaffung teurer, halten aber länger und können meist leichter repariert werden. Hilfreich ist außerdem ein Wartungs- und Instandhaltungsplan. Sei es die technische Wartung der Wärmepumpe oder das regelmäßige Streichen der Holzfassade, die Lebensdauer der jeweiligen Dinge lässt sich damit deutlich erhöhen.
15 Lebenszykluskosten: Wer baut, muss in die Zukunft denken! Nichts hält ewig und die Technik schreitet voran. Eines Tages müssen Dach, Fenster oder die technische Ausstattung modernisiert oder erneuert werden. Wichtig ist es deshalb, die sogenannten Baunutzungskosten im Blick zu behalten und entsprechende finanzielle Rücklagen zu bilden. Umso mehr, wenn die eigene Immobilie auch der Altersvorsorge dienen soll.
16 Qualität der Projektvorbereitung: Je besser die Vorbereitung, desto besser das Ergebnis. Deshalb sollten Sie sich ausreichend Zeit nehmen, um sich fundiert zu informieren und dabei auch die Fachkenntnis von Experten mit einbeziehen. Ebenfalls hilfreich bei der Orientierung sind unverbindliche Erstgespräche, wie sie zum Beispiel in Musterhausparks diverse Haushersteller anbieten. Am Ende steht dann die vertiefte, professionelle Beratung durch einen Architekten.
17 Qualitätskontrolle der Bauausführung: Die Überprüfung, ob die gesteckten Ziele erreicht worden sind, in Verbindung mit der Feststellung der Mängelfreiheit des Gebäudes stellt schließlich das letzte Kriterium der Grundanforderungen für die Verleihung des QNGSiegels dar. Auch wenn dies noch einmal extra Geld kostet, sollten sie hierfür einen qualifizierten Baugutachter beauftragen, denn schon die Beseitigung kleiner Mängel kann die Kosten seines Honorars schnell übersteigen.
Ausgestellt wird das Zertifikat für Einfamilienhäuser derzeit von zwei Anbietern: der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) und dem Bau-Institut für Ressourceneffizientes und Nachhaltiges Bauen (BIRN). Diese bieten jeweils eigene Zertifizierungen für nachhaltige Gebäude an – darunter die DGNB-Auszeichnungen in Silber, Gold und Platin oder das BNK-Zertifikat. Erreichen die Häuser diese Siegel, erhalten sie auch das QNG.
Nachhaltiges bauen lohnt sich sogar ohne Förderung
Um eine Förderung zu erhalten, müssen Einfamilienhäuser als nachhaltig zertifiziert werden. Dies übernimmt unter anderem die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Wir haben mit Geschäftsführer Johannes Kreißig darüber gesprochen, was es mit dem Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) auf sich hat.
msz: Seit 21. April werden neu gebaute Einfamilienhäuser nur noch als Effizienzhaus 40 Nachhaltigkeit (EH 40 NH) gefördert. Die anderen, teils sehr beliebten Effizienzhausstufen erhalten seitdem keine staatliche Förderung mehr. Halten Sie das für richtig?
Johannes Kreißig (JK): Ganz klar, das halte ich für eindeutig richtig. Insbesondere die Förderung des Effizienzhauses 55 hatte keinerlei Lenkungswirkung. Denn in einem schlechteren Standard hat gerade im Bereich der Wohnungswirtschaft ohnehin fast kaum jemand mehr gebaut. Im Grunde war die Förderung des EH 55 ein Baukostenzuschuss und keine zukunftsweisende Förderung. Doch bei Effizienzhäusern ohne Nachhaltigkeitszertifikat wird ein relevanter Teil ausgeklammert: der ökologische Fußabdruck, der bei der Herstellung der Baumaterialien, einer etwaigen Entsorgung und durch den Nutzerstrom entsteht. Beim EH 40 NH wird ein umfassenderer Rahmen, nämlich der Lebenszyklus des Gebäudes, betrachtet. Dass man in diesem Zusammenhang noch ein paar zusätzliche Anforderungen mit reinpackt, halte ich auch für richtig. So etwa, dass das verbaute Holz zum Großteil aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammen soll.
msz: Gerade angesichts permanent steigender Baupreise und seit Neuestem auch der Zinsen hätten sich viele Bauinteressierte aber sicher über mehr finanzielle Unterstützung gefreut.
JK: Hier stellt sich die Frage, wozu eine Förderung gedacht ist. Wenn Familien unterstützt werden sollen, die es sich sonst nicht leisten könnten, ein Haus zu bauen, dann muss die Förderung auch für diese Familien gestaltet sein. Wenn die Förderung aber eine Lenkungswirkung auf den CO2-Ausstoß und die Energieeffizienz haben soll, dann muss sie daraufhin ausgelegt sein und muss Besseres fördern als den Standard.
Die Nachfrage hat deutlich angezogen
msz: Wie viel Prozent hat die NH-Klasse denn bis vorigen April am Gesamtumfang der geförderten Häuser ausgemacht? Spüren Sie als Zertifizierungsstelle nun eine stärkere Nachfrage?
JK: Das waren nur etwa zwei bis drei Prozent der Förderanträge, die bei der KfW eingegangen sind, denn die Erneuerbare-Energien-Klasse, die noch bis April mit der gleichen Summe gefördert wurde, war viel einfacher zu erreichen. Seit April hat die Nachfrage aber deutlich angezogen. Seitdem gibt es viel mehr Anmeldungen zur Zertifizierung.
msz: Wie genau gehen Bauinteressierte vor, wenn sie die NH-Klasse für ihr Haus beantragen und nachweisen möchten?
JK: Die Förderung für ein EH 40 NH muss vor Vorhabensbeginn mit einem Energieberater bei der KfW beantragt werden. Ein Auditor – das kann der Energieberater, ein Architekt oder auch ein Haushersteller sein – begleitet den Prozess dann wahrend der Planungs- und Bauphase. Das Nachhaltigkeitssiegel erhält das Haus nach Fertigstellung.
msz: Die Kriterien, nach denen ein EH 40 NH das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) erhält, umfassen 17 Punkte. Die Neubauten sollen beispielsweise recyclingfreundlich und flexibel an die Bedürfnisse der Bewohner anpassbar sein, sie sollen wenig Fläche verbrauchen, aus schadstoffarmen Materialien gebaut sein und viel Tageslicht und Schallschutz bieten. Wie aufwendig ist es, diese und die anderen elf Kriterien zu erfüllen? Ist dies für einen privaten Bauherren überhaupt zu bewältigen?
JK: Ein privater Bauherr muss die Anforderungen ja nicht selbst im Blick behalten. Der Auditor oder Architekt, der das Bauprojekt begleitet, kümmert sich darum. Bei ganz vielen Punkten handelt es sich um Standardleistungen, deren Dokumentation im Honorar für den Architekten oder im Kaufpreis ohnehin enthalten ist. So etwa der Test auf Luftdichtigkeit bei einem Fertighaus.
msz: Welches sind die wichtigsten Merkmale, die ein EH 40 NH aufweisen muss? Können Sie ein prototypisches EH 40 NH beschreiben?
JK: In jedem Fall brauche ich ein zukunftsweisendes Energiekonzept. Am besten kommt so wenig fossile Energie wie möglich zum Einsatz und es wird eigener Strom auf den Dachflächen erzeugt. Eventuell macht auch ein Batteriespeicher Sinn. Meist wird in einem entsprechenden Haus eine Wärmepumpe eingesetzt. Ganz wichtig ist, dass es eine exzellente Gebäudehülle hat, wie es bei einem Effizienzhaus 40 ja ohnehin der Fall ist.
Eigene Stromerzeugung wird immer wichtiger
msz: Zwingend vorgeschrieben sind diese Bestandteile aber nicht? Wenn ich einen bestimmten CO2-Fußabdruck über den Lebenszyklus auch auf eine andere Weise erreiche, ist auch das möglich?
JK: Ja, wenn ich etwa ein Haus aus Holz baue, verursacht die Konstruktion weniger CO2-Emissionen als bei einem Massivhaus. Das heißt, ein Holzbau erreicht auch ohne PV-Anlage schon sehr gute Werte. Dennoch ist es sinnvoll, auch einen Holzbau mit einer solchen Anlage zu kombinieren. Das Thema der eigenen Stromerzeugung wird in Zukunft immer wichtiger werden.
msz: Wie hoch schätzen Sie die Mehrkosten ein, die notwendig sind, um etwa von einem Effizienzhaus 40 auf ein Effizienzhaus 40 NH zu kommen? Reichen die maximal 6.000 Euro Zuschuss dafür aus?
JK: Grundsätzlich hat ein EH 40 NH keine höheren Baukosten als ein Haus ohne Nachhaltigkeitszertifizierung. Denn schadstofffreie Produkte sind nicht teurer als schadstoffhaltige, wenn man sie rechtzeitig beauftragt. Auch beim Holz gibt es keine relevanten Preisunterschiede.
Bestimmte Häuser sind schon vorzertifiziert
msz: Hinzu kommen aber weitere Kosten für die Baubegleitung durch einen Energieeffizienzexperten und die Zertifizierung. Welche Summe muss man hierfür einkalkulieren?
JK: Die Zertifizierungsgebühren selbst liegen für ein Ein- oder Zweifamilienhaus zwischen 750 Euro bis 1.000 Euro, die Beratung durch den Auditor ist umfassender als eine Energieberatung, wobei die Kosten für beide von der KfW zu 50 Prozent bezuschusst werden. Es gibt aber auch die Möglichkeit, ein serienzertifiziertes Haus zu bauen. Häuser bestimmter Ausbaustufen von Herstellern wie Allkauf, Bien-Zenker, Hanse Haus, Huf Haus, Living Haus, Massa Haus oder Okal sind bereits vorzertifiziert, das heißt die Hersteller kaufen beispielsweise nur noch passendes Material ein und gewährleisten planungsseitig Themen wie Barrierefreiheit oder gute Tageslichtverfügbarkeit. Die Hersteller haben da natürlich Skalierungseffekte und verlangen meist auch keine extra Kosten für die Zertifizierung. Andere Haushersteller bereiten dies auch schon vor.
msz: Was würden Sie Bauinteressierten raten? Lohnt es sich, ein EH 40 NH zu bauen?
JK: Ja klar. Ich würde es sogar ganz unabhängig von der Förderung bauen. Denn wir müssen ja schauen, was die zukünftigen Anforderungen an unseren Gebäudebestand sind. Wenn wir 2045 als Gesellschaft klimaneutral sein wollen, können wir heute nicht Häuser mit einer Lebensdauer von 50 Jahren bauen, die nicht klimaneutral sind.
Mehr zum Thema Planung rund ums Haus finden Sie in jeder Ausgabe von mein schönes zuhause.