Architekten und Designer haben Beton als einen ihrer Favoriten (wieder)entdeckt. Das Schwergewicht kann allerhand: von körnig rau, über plastisch geformt bis – probieren Sie‘s – elegant wie Samt.
Die ästhetischen Bausünden im städtischen Wohnungsbau der 60er- und 70er-Jahre haben Beton in Verruf gebracht. Das Wort vom „Betonkopf“, mit dem ein besonders intoleranter Zeitgenosse tituliert wird, tut manchmal ein Übriges, um einem wichtigen und inzwischen auch wieder trendigen Baustoff richtig Unrecht zu tun.
Seinen Siegeszug kann all das nicht aufhalten! Architekten, Designer und mehr und mehr auch private Bauherren entdecken Beton als neuen Liebling, nachdem der Werkstoff wegen seines ausgezeichneten plastischen Charakters große Architekten wie Oscar Niemeyer (dieses Jahr 100) schon vor Jahrzehnten fasziniert und zur Gestaltung fließender, kurvenreicher Räume und Bauten inspiriert hatte.
Beim Bauen selbst werden Robustheit und Tragfestigkeit, die glänzenden Feuerschutz- und Schalldämmeigenschaften des Betons seit Langem geschätzt. Darüber hinaus erliegen Hausbesitzer dem spröden Charme des Baustoffs nun aber auch beim Innenausbau und Einrichten. Beton ist hart im Nehmen, lässt sich hervorragend bearbeiten und gefällt mit unterschiedlichen Grautönen. Das sind gute Voraussetzungen für seine Zweitkarriere im Interieur-Bereich. Der Werkstoff wird gerade wegen seiner unterkühlten Anmutung geliebt; auch das Raumklima beeinflusst er erfreulich positiv.
Tische, Bänke, Regale, Waschbecken, ja selbst Eierbecher und Armreifen werden heute schon aus dem Baustoff fabriziert, der im Prinzip allein aus Sand, Kies und Wasser besteht. Das Geheimnis liegt im speziellen Mix und den Zuschlägen. Die Haptik – körnig rau bis streichelweich – ergibt sich aus Schalung und Oberflächenbehandlung. Geschliffen und poliert fühlt sich Beton fast wie Marmor an und lässt sich sogar mit Blattgold veredeln.
Beton ist zudem als Gestaltungselement für Wände, Treppen oder Möbel und Heizelemente im Trend. Vor allem als Sichtbeton ohne Tapeten, Putze oder deckende Anstriche entfaltet er eine puristische Wirkung. So kommt auch seine lebendige Oberfläche gut zur Geltung. Durch gezielte Auswahl des so- genannten Betonzuschlags – Granit, Quarz, runder Kies, eckiger Splitt, Metall oder Glasgranulat – wird mit Farben und Formen gespielt. Geschliffene und polierte terrazzoartige Flächen sind möglich, ebenso Effekte, die an Steinmetzarbeiten erinnern.
Oliver Maybohm von der Firma „materialraum-form“ in Hamburg, die Betonmöbel von ihrer schönen Seite zeigt: „Nur wenige Materialien sind so umfassend einzusetzen wie Beton. Er kann in jede Form gebracht werden, nahezu jeden Farbton annehmen und seine Oberfläche lässt sich weich oder rau gestalten. Diese Vielseitigkeit führt zu einer Breite von Designstilen, die vom Gegenwärtigen bis zum Klassischen reichen.“ Reizvolle Akzente entstehen unter anderem durch das Zusammenspiel mit edlem Stahl, verschiedenen Hölzern und vor allem Glas. Beton lässt beim Bau große Spannweiten zu – und deshalb helle Räume mit großen Fensterflächen.
Lichtdurchlässiger Beton gehört zu den jüngeren Materialentwicklungen: Mit Hilfe lichtleitender Fasern wandelt er sich vom schweren Baustoff zum federleichten Material – zumindest im Auge des Betrachters. Bisher war die Produktion aufwendig und teuer. Mit einem neuen Herstellungsverfahren wird seit wenigen Monaten der Weg zur Serienproduktion beschritten. Dafür setzt man ein Gewebe aus lichtleitenden Fasern ein.
Die gleichmäßige Ordnung des Materials begünstigt die hohe Lichtdurchlässigkeit. Die verlustfreie Lichtleitung durch die optischen Fasern gestattet es, Licht, Schattenwürfe oder sogar Farben durch den Beton zu sehen – selbst bei großen Wanddicken. Auch stramme Betonkonstruktionen erhalten so die Leichtigkeit von japanischen Reispapierwänden, ohne dass die Festigkeit des Werkstoffes darunter leidet.